Kollwitzstrasse 52 | Berlin-Prenzlauer Berg
Informationen zur Geschichte des Hauses Kollwitzstraße 52 in Berlin, Prenzlauer Berg
Daten zur Chronologie des Hauses
1872 - 1942 | 1943 - 1990 | 1990 – 1999 | seit 2000
18.11.1990 Die „Berliner Grundstücksauktionen“ des Auktionators Hans-Peter Plettner wirbt für eine Versteigerung u.a. des Hauses Kollwitzstraße 52 (Berlin) in der Berliner Morgenpost.(1)
10.12.1990 Die Berliner Mietergemeinschaft ruft zu einer Protestaktion gegen die Versteigerung vor dem „Palais des Kulturbundes“, Otto-Nuschke- Straße / Ecke Mauerstraße auf.(2) Die Mieter des Hauses hängen Protestplakate an der Fassade auf, sie überlegen, ob sie selbst für das Haus bieten sollen.
11.12.1990 Am Morgen betreten die Hamburger Künstler Nicolaus Schmidt und Christoph Radke das Haus – sie hatten eigentlich am Nachmittag einen Termin zu einer Hausbesichtigung in Berlin-Kreuzberg, hatten aber von den Protesten der Hausbewohner in der Kollwitzstr. 52 gehört. Im 4.OG öffnet ihnen Lutz Franke die Tür, der berichtet, dass die Mieter selbst von der Sparkasse (Ost) am Alexanderplatz keine Kreditzusage bekommen hatten, um bei der Auktion mitzubieten, da sie als ehemalige DDR-Bürger keine Sicherheiten bieten könnten. Es wird eine weitere Mieterin hinzugerufen, schließlich kommt es zu einer spontanen Absprache, wonach die beiden Künstler versuchen wollen, das Haus zu ersteigern, wenn die Hausbewohner freiwillig bereit sind, statt 80 Pfenning zukünftig ca. 2,40 DM/qm Miete zu zahlen (Basis ist eine Berechnung zur Bietsumme, die am Wohnzimmertisch im 4.OG entsteht). Langfristig soll die Miete günstig bleiben. Nachmittags beschließt die Mieterversammlung, sich auf dieses Wagnis einzulassen – die beiden Hamburger telefonieren zur selben Zeit von Westberlin aus DM 150.000 Kreditzusagen von Freunden zusammen – sie müssten im Erfolgsfall abends eine Kaution zahlen. Vor Beginn der Versteigerung trifft man sich und verabredet, getrennt im Saal zu sitzen.
11.12.1990 Die Versteigerung wird durch Protestaktionen unterbrochen, mit Hilfe von Polizeischutz fortgeführt. Um das Haus Kollwitzstraße 52 entwickelt sich ein längeres Bietergefecht. Als erstes Haus aus der ehemaligen DDR wird das Haus Kollwitzstraße 52 „von den Hamburger Malern“ (Presse) Nicolaus Schmidt und Christoph Radke nach Absprache mit den Bewohnern des Hauses ersteigert. Eine „Dame im weißen Nerz“ aus München geht leer aus.(3)
     15.12.1990 Die Berliner "tageszeitung" schreibt: "Die Auktion war ein Flop. (...) ...die Abteilung für Finanzen der Magistratsverwaltung ... rechnet mit einer Rückabwicklung." Das Haus sei 1937 "arisiert" worden. Die TAZ zitiert einen Mitarbeiter der Abteilung Finanzen des (ehemaligen Ost-)Berliner Magistrats: "Ein anständiger Auktionator hätte so etwas nicht machen dürfen."
12.01.1991 Die Käufer und Hausbewohner wollen eine Nutzergemeinschaft gründen, die in Selbsthilfe bei der Sanierung des Hauses mit anpackt. Ein erstes Treffen bei derSanierungsgesellschaft B.S.M. in Charlottenburg verläuft positiv. Wenn die Eigentumsverhältnisse tatsächlich, wie vom Auktionator Plettner versprochen, Anfang April geklärt sind, könnte ein Architekt mit der Planung beginnen. Die Aussicht auf Förderung durch das Land Berlin nach dem Selbsthilfeproramm sei sehr gut. Die Eigentümer würden für 20 Jahre auf ihre Rechte verzichten, bekämen aber auch für den Ausbau des Daches die volle Förderung.
10.04.1991 Nachdem die Berliner Sparkasse als Mieterin der leer stehenden großen Wohnung im 1. OG (seit 1971 als Wohnheim der Sparkasse genutzt) für eine Miete von DM 160 weiter nutzen wollte, kommt Ende März der Rückzug. Die Käufer schließen daraufhin mit Vera Friedländer einen unorthodoxen Vertrag über die Nutzung der Räume durch die 1990 gegründete Friedländer-Schule ab. Einerseits würde die Schule den alten Mietbetrag an die W.I.P. (immer noch offizielle Verwalterin) zahlen, andererseits soll Geld auf ein Sperrkonto gezahlt werden und die Schule die 206 Quadratmeter auf eigene Kosten renovieren. Die W.I.P. protestiert nicht und die Umbauten beginnen. Im Sommer wird die Sprachschule v.a. für jüdische Einwanderer aus der Ex-Sowjetunion im Beisein des Bezirksbürgermeisters eingeweiht. Für die Käufer ist diese Nutzung vor dem historischen Hintergrund des Hauses die richtige.
12.11.1991 Die vom Auktionator Plettner für Anfang April in Aussicht gestellte Klärung der Eigentumsverhältnisse hat sich als Wunschdenken herausgestellt. Das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen hat zwar alle Ansprüche von Einzelpersonen an das Haus als unbegründet zurückgewiesen, erkennt aber eine Anspruchsberechtigung der jüdischen Claims Conference an. Die Käufer hatten diese zwischenzeitlich informiert und die Claims Conference stellt tatsächlich einen Antrag auf Rückübertragung, da der Verkauf durch Margarita Reichardt 1937 aus ihrer Sicht unter Zwang erfolgt sei. Damit kehrt sich die Beweislast um und die Erbengemeinschaft Frickert, die das Haus in die Auktion eingeliefert hat, muss nun eine rechtmäßige Erwerbung nachweisen. Ob der Auktionsvertrag umgesetzt werden kann, ist damit nicht mehr sicher. Dabei könnte die Nutzergemeinschaft aus Käufern und Hausbewohnern tatsächlich jetzt eine großzügige Förderung durch das Land Berlin bekommen. Der im Laufe des Sommers in unzähligen Haussitzungen erarbeitete Vertrag wurde von der B.S.M. anerkannt.
03.12.1991 Ein Jahr nach der Auktion berichtet der Berliner "Tagesspiegel" über "Ärger und Rechtsauseinandersetzungen um das erste ... in Ost-Berlin versteigerte Haus.(...) Die Versteigerung von Auktionator Hans-Peter Plettner sei ein faules Geschäft gewesen, sagen die beiden Hamburger." "Alles Unsinn" sagte dagegen laut Tagesspiegel Hans-Peter Plettner. Es fehle lediglich eine Quittung über 7500 Reichsmark, um nachzuweisen, daß der Verkauf 1937 keine "Arisierung" gewesen sei. Der Tagesspiegel stellt weiter H.P. Plettners Ausführungen wie folgt dar: "Sollte diese Quittung nicht gefunden werden und die Recherche ergeben, daß die Verkäuferin verfolgt wurde, "haben wir eben mit Zitronen gehandelt." Dann bekämen die Claims-Conference das Grundstück und die Käufer ihr Geld zurück."
11.12.1992 Das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen weist den Übertragungsanspruch der Claims Conference zurück. Begründung: „trotz umfangreicher Recherchen könne kein Nachweis der tatsächlichen {gemeint ist eine jüdische - Anmerkung der Verfasser} Abstammung der Frau Reichardt geb. Cohen geführt werden." Da alle anderen Elemente des Kaufvorgangs 1937 einem rechtmäßigen Kauf entsprechen, sei die Erbengemeinschaft Frickert zu Recht Eigentümerin des Grundstücks. Daraufhin legt die Claims Conference Widerspruch ein. {Aus Sicht der Verfasser zu Recht, da der Name „Cohen“ eindeutig ein jüdischer ist, die Entscheidung des AROV ist unverständlich. Zudem hat das AROV noch nicht einmal im Geburtsland von Frau Reichardt, in Peru, Nachforschungen angestellt.}
01.03.1993 Nachdem unter der Verwaltung der W.I.P. das Haus zunehmend verkommt (es hatten sich z.B. Obdachlose im Keller neben den Gasleitungen Mahlzeiten auf offenem Feuer zubereitet), übernimmt Nicolaus Schmidt, einer der Käufer, im Auftrag der Erbengemeinschaft Frickert die Verwaltung. Als erste Maßnahme repariert er in Eigenarbeit die maroden Schornsteinköpfe auf dem Seitenflügeldach, damit diese nicht auf den Hof stürzen können. Da eine Vormauerung der seitlichen Fachwerkgiebelwände auf ein Nachbarhaus zu kippen droht, ist auch hier eine Sicherung notwendig.
24.11.1993 Der Widerspruch der Claims Conference wird vom Widerspruchsauschuß zurückgewiesen. Daraufhin erhebt die Claims Conference eine Klage beim Berliner Verwaltungsgericht gegen das AROV. Die Klärung der Eigentumsverhältnisse geht in das vierte Jahr.
29.07.1994 Mit Verweis auf den dringenden Sanierungsbedarf des Hauses schlagen die Käufer einen Vergleich beim Verwaltungsgericht vor. Beide Parteien lassen sich darauf ein.Im Auftrag der Erbengemeinschaft Frickert legt das Notariat Heidemann, Nast & Partner beim Verwaltungsgericht einen Vergleich vor, wonach die Erbengemeinschaft vom ausgekehrten Kaufpreis 6 Anteile und die Claims Conference 1 Anteil erhalten soll – die Claims Conference stimmt zunächst unter Vorbehalt zu. Kurz vor Ablauf der Frist am 20.9.1994 widerruft die Claims Conference den Vergleich. Die Klärung der Eigentumsverhältnisse geht in das fünfte Jahr.
31.08.1994 Die Friedländer-Schule muss die Räume im 1.OG verlassen und umziehen, da das Bezirksamt und auch die Senatsverwaltung darauf bestehen, dass die Räume auch zu DDR-Zeiten „nie aus der Wohnraumbewirtschaftung entlassen“ worden, die Nutzung als Sprachschule somit eine Zweckentfremdung von Wohnraum sei. Die Sparkasse hatte ihr Wohnheim seit 1971 auf der Basis eines einfachen Wohnmietvertrages betrieben. Die Klage beim Verwaltungsgericht mit Verweis auf diese historische Nutzung hatte keinen Erfolg. Es endet ein Rechtsstreit seit Ende 1992. Faktisch bedeutet dies, dass auch die Sparkasse die Wohnung in den Jahren bis 1990 schon zweckentfremdet genutzt hatte.
30.01.1995 Mit Peter und Gitta Neuhaus wollen die vierten Mieter der ursprünglichen Hausgemeinschaft aus dem Haus ausziehen. Es glaubt kaum noch einer, dass das Projekt einer Sanierung durch die Nutzergemeinschaft aus Mietern und Eigentümern Aussicht auf Erfolg hat. Nicolaus Schmidt und Christoph Radke überlegen, ob sie vom Vertrag zurücktreten und ein anderes Haus, in der Kollwitzstraße 74, kaufen. Als letzte Möglichkeit fragen sie bei der Claims Conference an, ob diese mit ihnen einen zweiten Kaufvertrag abschließen würde. So abgesichert könnten sie zumindest eine Teilsanierung und den Dachausbau wagen – ohne Förderung.
13.06.1995 Der bedingte Kaufvertrag mit der Claims Conference wird unterzeichnet, durch ein neues Verkehrswertgutachten hat sich der Kaufpreis auf 1,2 Mio. DM erhöht. Ein zweiter Vertrag mit der Erbengemeinschaft Frickert folgt. Der Weg ist frei, um die Sanierung und den Umbau zu planen – ohne Bankkredite, da die Käufer nicht im Grundbuch eingetragen sind. Sie sind lediglich „Besitzer“, keine Eigentümer.
15.10.1995 Der zwischenzeitlich von einem Architekten (ehemaliger S.T.E.R.N.-Mitarbeiter) eingereichte Bauantrag für den Dachausbau wird im Bauamt vom Stadtplanungsarchitekten abgelehnt. Die große Wohnung mit den zwei Wohnateliers entspeche nicht den Sanierungszielen („Sie, die Sie hier eine Villa auf dem Dach im Prenzlauer Berg bauen wollen.“), die Anhebung des Daches im Kniestockbereich würde das Bild des Hauses zerstören. In der Frage, wie man damit umgeht, trennen sich die Bauherren vom Architekten. Die Atelierbeauftragte des Berufsverbandes Bildender Künstler, Dr. Inga Person, schreibt an das Stadtplanungsamt, dass das Vorhaben „eine vertretbare, keineswegs aber überdimensionierte Flächenplanung" sei. Das Vorhaben sei begrüßenswert, zumal 40% der Kosten in Eigenarbeit erbracht würden.
06.11.1995 Gründung des K.A.P., des Kunstvereins auf dem Prenzlauer Berg e.V. In der erste n Ausstellung "Peter Neuhaus - Kunst am Entstehungsort" werden im Januar 1996 die Skulpturen des Künstlers in seiner (ehemaligen) Wohnung im Hause gezeigt. Zu DDR-Zeiten gab es keine öffentliche Ausstellung der Arbeiten von Peter Neuhaus. Peter und Gitta Neuhaus (Balletttänzerin) wohnten seit 1980 im Hause.
10.11.1995 Eine Umplanung mit einem anderen Architekturbüro sieht vor, dass alle Dacherhöhungen einen Meter von den Fassaden zurücktreten. Die tatsächliche Dachhöhe wird gegenüber dem ersten Entwurf dagegen erhöht. Die schriftliche Ablehnung des Bauantrages durch das Stadtplanungsamtes reduziert sich auf die Forderung nach Ausgleichsmaßnahmen im Freibereich für den „Dachgeschoßneubau", der eine Verdichtung bedeute. Die Bauherren legen daraufhin eine Planung für den Hof vor, nach der die Garagen abgerisssen, die zubetonierten Flächen entsiegelt und Gartenflächen geschaffen werden sollen.
25.11.1995 Trotz neuer Erkenntnisse zum Leben von Margarita Reichardt geb. Cohen in Peru in den Jahren 1938 bis 1965 besteht nach Ansicht des AROV kein Anlass, seine Entscheidung zu ändern. Das Kammergericht lässt weitere Nachforschungen seitens der Claims Conference zu. Die Klärung der Eigentumsverhältnisse geht in das sechste Jahr.
06.01.1996 Der neue Architekt kann den Entwurf im Bauamt so darstellen, dass es keine Einwände mehr gibt. Die Planung für die Fassaden beginnt. Die Bauherren orientieren sich am Umbau des denkmalgeschützten Haus gegenüber, das ursprünglich einmal fast baugleich war. Die Souterrainfenster zur Straße werden danach mit den Fenstern des Hochparterres eine Einheit bilden, sollen als hochformatige Stahlkonstruktionen über zwei Ebenen die Idee der ursprünglichen Fassadenansicht mit modernen Mitteln aufgreifen.
29.02.1996 Nicolaus Schmidt und Christoph Radke reichen einen Bauantrag ein für den Bau dreier Gewerbeeinheiten im Souterrain rechts und links (bisher Kellerräume, vor 1945 Läden) und Hochparterre links (bisher die Wohnung Neuhaus, vor 1945 ebenfalls Gewerbe). Parallel wird ein Antrag zur Zweckentfremdnung der bisherigen WE Neuhaus als Gewerberaum eingereicht. Da im Dachgeschoss neuer Wohnraum geschaffen wird, würde die Gesamtwohnfläche des Hauses steigen. Begründet wird dieser Antrag u.a. mit dem Verweis auf die historische Gewerbenutung und die Nutzung der entsprechenden Räume im Haus gegenüber, der Kollwitzstraße 53. Nach Vermietung sollen diese Gewerberäume durch höhere Mieteinnahmen die Wohnungen im Haus quersubventionieren. Die neuen Räume rechts sollen durch den Kunstverein K.A.P. genutzt werden.
10.05.1996 Nachdem im Frühjahr die Baugenehmigung für den Dachausbau erteilt wurde, werden die ersten Gerüste im Hof gestellt. Die beiden Künstler sanieren die Hoffassade in Eigenarbeit und mit Hilfe von Freunden. Unter anderem müssen 62 zu DDR-Zeiten eingsetzte Betonfensterbänke ausgebaut werden, da diese den Fassadenputz gesprengt haben. Der Versuch, mit dem Abwurf der schweren Betonstücke vom Gerüst die Betonplatten auf dem Hof zu sprengen, misslingt. Der zubetonierte Hof übersteht die Prozedur ohne Risse.
01.07.1996 Baubeginn beim Dachausbau. Da die Bauherren nur wenig Geld haben, bauen die Zimmerleute der Brunner GbR das neue Dach stückweise aus dem alten heraus, ohne Schutzdach. Der Umbau gelingt weitgehend ohne große Wasserschäden. Das Konzept dieses Low-Budget-Ausbaus sieht vor, dass alle Rohbaugewerke von Firmen ausgeführt werden, anschließend wollen die Bauherren aus Kostengründen den gesamten Innenausbau (Böden, Decke, Wände, Elektrik) in Eigenarbeit durchführen. Ein großer Teil des Baumaterials (Balken, Isolierung etc.) kann über Georg Albinus († 2019) kostengünstig aus Norddeutschland beschafft werden (G.A. war einer der Finanziers am Tag der Auktion).
11.8.1996 Das Wohnungsamt lehnt den Antrag auf Zweckentfremdung der Hochparterrewohnung ab, weil ein öffentliches Interesse am Erhalt von Wohnraum gegeben sei. Auf die Begründungen bei der Einreichung des Antrages wird nicht eingegangen. Die Antragsteller verweisen auf die Fakten bei allen Bauvorhaben im Haus (Schaffung zusätzlichen Wohnraums).
16.8.1996 Das Wohnungsamt genehmigt nunmehr den Antrag auf Zweckentfremdung der Hochparterrewohnung. Die Antragsteller müssen eine Zweckentfremdungsabgabe von DM 6400 zahlen – eine Summe, die die schwierige Finanzlage der Bauherren verschärft.
12.09.1996 Richtfest für den Dachausbau. Vorher hatte sich allerdings herausgestellt, dass die beiden Brandwände zu den Nachbarhäusern (je 27 Meter lang und 4 Meter hoch) anders als von den Architekten eingeschätzt, nicht saniert werden können sondern abgerissen werden müssen. Den Abriss übernimmt Nicolaus Schmidt zusammen mit einem Studenten. Die Bauherren wissen nicht, wie die Mehrkosten von DM 200.000 zu finanzieren sind. Für einen günstigen KfW-Kredit müssen die Streitparteien zustimmen, dass die Kreditsumme in das Grundbuch eingetragen wird. Die Erbengemeinschaft Frickert stimmt zu, die Claims Conference im Prinzip auch. Zwei Notartermine platzen, weil die per Telefon zugeschaltete Zentrale der Claims Conference in letzter Minute einen Rückzieher macht.
14.11.1996 Nach einer weiteren Telefonrunde bei Freunden und Verwandten gibt es neue private Darlehenszusagen. Der größere Restbetrag der Mehrkosten für die Brandwände kann über ein Bankdarlehen abgedeckt werden, für das zwei Lebenversicherungen abgetreten werden. Die drohende Zahlungsunfähigkeit ist abgewendet worden.
26.11.1996 Das Gewerbekonzept wird nunmehr von der Bau-Bezirksrätin, Dorothee Dubrau, abgelehnt. Es kommt im Bauamt zu einem Treffen, an dem neben den Bauherren u.a. auch die Kulturamtsleiterin, Andrea Gärtner, teilnimmt. Das Kulturamt unterstützt das Konzept, wonach eine öffentlich zugängliche Ausstellungsfläche (Kunstverein K.A.P.) hier zwischen den Kneipen und Boutiquen eine begrüßenswerte Ininitiative sei. Der Stadtplanungsarchitekt, der schon den Dachausbau verhindern wollte, verlässt den Raum, als die beiden Künstler (als Antragsteller) den Raum betreten. Die Bau-Bezirksstadträtin besteht auf eine kulturelle Nutzung sämtlicher neuer Gewerbeflächen. Die Antragsteller verweisen darauf, dass dies angesichts des Zieles, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, nicht machbar ist. Zumindest ein Teil der Räume müsse höhere Mieten erwirtschaften, als diese ein Kunstverein zahlen kann.
11.12.1996 Der letzte Teil des Gerüstes zur Straße hin wird abgebaut – in der Nacht vorher haben die Bauherren noch mit einem Föhn die letzten Pinselstriche bei Minustemperaturen an der Fassade getrocknet. Alle Fassaden sind saniert und zum ersten Mal seit der DDR-Sanierung 1972 gestrichen. Die hölzernen Karyatiden von 1875 in den äußeren Fensterachsen wurden stabilisiert und ausgebessert. Zum Hof hin sind in den Berliner Zimmern bodentiefe französische Fenster eingebaut worden. Alle Wohnungen haben neue elektrische Zuleitungen erhalten, ein Teil der Sanitärstränge wurde erneuert. Der Innenausbau im Dachgeschoss kann beginnen. Die Gerüstzeit von nur einem halben Jahr ergab sich aus der Unterfinanzierung des Bauvorhabens und war rekordverdächtig kurz. Der erste Teil der Sanierung ist abgeschlossen. Die Klärung der Eigentumsverhältnisse geht in das siebte Jahr.
03.09.1997 Die Sanierungsgenehmigung wird erteilt, nachdem der Rechtsanwalt der Künstler die Bau-Bezirksstadträtin, Dorothee Dubrau, auf die Rechtslage und die Fakten in der Kollwitzstraße (vergleichbare Situation in der Kollwitzstraße 53) hingewiesen hatte. Der Bauantrag zum Gewerbeausbau kann nunmehr bearbeitet werden.
16.10.1997 Die Claims Conference hat eine wissenschaftliche Arbeit vorgelegt, wonach Margarita Cohen in Peru aus einer aus Deutschland eingewanderten jüdischen Familie stammte. Vor dem Kammergericht wird daraufhin ein neuer Vergleich geschlossen. Nunmehr will das AROV eine Rückübertragung zugunsten der Claims Conference fällen. Diese wird der Erbengemeinschaft Frickert (wie im ersten Vergleich, nur umgekehrt) einen Betrag (nach Ablösung der Hypotheken) von 100.000 DM zahlen. Die Umsetzung des Vergleichs zieht sich bis weit in das nächste Jahr hinein. Die Klärung der Eigentumsverhältnisse geht in das achte Jahr.
30.06.1998 Das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen Mitte-Prenzlauer Berg (AROV 1) hat dem Widerspruch der Conference on Jewish Material Claims against Germany Inc. (New York) gegen den ersten Bescheid vom 11.12.1992 (Rückübertragung an die Erbengemeinschaft F. ...„da nicht nachzuweisen sei, daß Frau Margarita Reichardt geb. Cohen jüdischen Glaubens sei“) stattgegeben und erläßt eine Rückübertragung des Grundstücks an die Claims Conference. Frau M. R. gehöre „als Jüdin zu einem von den Nationalsozialisten kollektiv verfolgten Personenkreis“... Diese Verfolgung sei „ursächlich für den Vermögensverlust.“ Konkrete Anhaltspunkte werden nicht genannt. (Quelle: Schreiben des AROV 1 von diesem Tage) {Dies erscheint angesichts eines späteren Adressbuchfunds durch die Verfasser zweifelhaft. Hiernach war Frau R.-Cohen bis ins letzte Berliner Adressbuch von 1939–1943 als Eigentümerin am Bayr. Platz ("wohnh. Lima/Peru") geführt. Dies ist ein wichtiges Indiz dafür, daß sie von den Nazis nicht als jüdische Deutsche sondern als peruanische Staatsangehörige betrachtet worden ist, andernfalls wäre sie enteignet worden. - Anmerkung der Verfasser}
17.07.1998 Mit der Nordhypo aus Hamburg werden Verträge über Hypothekendarlehen abgeschlossen. Die privaten Darlehen sollen zurückgezahlt werden. Die Bank erkennt Eigenleistungen der Bauherren in Höhe von DM 325.000 an. Die Claims Conference stimmt der Eintragung einer Grundschuld zu.
04.08.1998 Baubeginn für die drei Gewerbeeinheiten. Ein Teil der Arbeiten wird wieder in Eigenleistung erbracht, dazu die Planung und Bauleitung. Am 15.10.1998 wird der erste kleine Souterrainladen links an ein Designgeschäft vermietet. Es folgt der Innenausbau der größeren Einheiten.
07.08.1998 Der Bescheid des AROV zugunsten der Claims Conference ist inzwischen unanfechtbar. Die Käufer müssen den Kaufpreis bis zum 7.9.1998 belegen. Am 15.10.1998 wird beim Notar der Kaufvertrag mit der Claims Conference als erfüllt festgestellt und eine Eintragung der Käufer in das Grundbuch eingeleitet.
01.06.1999 Der Laden links auf zwei Ebenen wird an einen Weinladen vermietet. Im Hochparterre dahinter (ehemalige Neuhauswohnung) wird eine neue Einheit geschaffen. Der Kunstverein K.A.P. mietet die Räume im Souterrain rechts ab dem 1.1.2000 an, zunächst nur unter Zahlung einer minimalen Miete sowie der Betriebskosten.
05.07.1999 Im Grundbuch von Prenzlauer Berg unter 9717N werden Christoph Radke und Nicolaus Schmidt (die Meistbietenden der Auktion vom 11.12.1990) als neue Eigentümer eingetragen - nach achteinhalb Jahren.
29.12.1999 Der Ausbau der Dachwohnung mit den zwei Ateliers ist weitgehend abgeschlossen – neun Jahre nach der Auktion im Dezember 1990. Es fehlt noch ein Teil eines Ateliers im nördlichen Seitenflügel. Der Ausbau in Eigenarbeit verzögerte sich, da der Umbau der Gewerbeeinheiten Priorität hatte. Die gesamte Sanierung und Modernisierung des Haus erfolgte ohne öffentliche Förderung. Um dieses Projekt trotzdem zu stremmen, wurden in erheblichem Maße Bauleistungen in Eigenarbeit erbracht. Zudem wurden zwei frei werdende große Wohnungen als Atelierwohnungen an Künstler vermietet, die bei reduzierter Miete ebenfalls ihre Wohnungen (jeweils 206 qm) mit eigenen Mitteln und mit Eigenleistungen modernisierten.
   
 

Quellenangabe: Akten sowie Gesprächsnotizen der Verfasser zum Haus Kollwitzstr. 52 (Berlin), derzeit im Besitz von Nicolaus Schmidt/Christoph Radke, zukünftig: Archiv der Kunststiftung K52.

   
  1943 - 1990 < > ab 2000
   
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