Kollwitzstrasse 52 | Berlin-Prenzlauer Berg
Informationen zur Geschichte des Hauses Kollwitzstraße 52 in Berlin, Prenzlauer Berg

Vertiefende Texte


Lutz Franke (1965–2022)
bekannte Lebensdaten

Sämtliche Angaben stammen von den Verfassern (R&S), die Angaben zu den genauen Lebensdaten gehen aus einem Brief des Berliner Nachlaßgerichtes an die Verfasser vom 14.10.2022 hervor.

 

Lutz Franke wohnte zum Zeitpunkt der Immobilienauktion im Dezember 1990 zusammen mit seinem Partner Bernd Lehmann in einer der Wohnungen des Vorderhaus im 4.OG, die Margarita Reichardt-Cohen 1937 durch die Teilung hin zum Seitenflügel neu geschaffen hatte. Lutz war Bibliothekar, Bernd arbeitete in der Werbeabteilung des Schauspielhauses am Gendarmenmarkt (heute: Konzerthaus Berlin). Sie waren erst im Frühjahr 1990 in die Wohnung gezogen, ermöglicht durch einen Ringtausch mit einem Herrn Witte, der Bernds Wohnung in Niederschönhausen übernahm. Beide hatten die neue Freiheit nach der Vereinigung genutzt und waren im Sommer 1990 durch Italien gereist.

Lutz ergriff die Gelegenheit nach 1990 und sattelte beruflich um, er wurde Filmvorführer, stand mit der Edition Salzgeber in Kontakt. Nach der Eröffnung der Gebäude am Potsdamer Platz arbeitet er dort in einem der großen Kinos. Über viele Jahre war er als Filmvorführer an der Berlinale beteiligt.

Lutz und Bernd kosteten nach dem November 1989 die neuen Freiheiten aus, auch in der schwulen Klubkultur. In der Folge erkrankte zuerst Bernd an HIV (1992?). Er wurde in der Charité stationär behandelt, sah für sich keine Perspektive, wollte nicht leiden und sprang aus dem Fenster des Krankenhauses – zum Glück war er auf der Stelle tot. Lutz infizierte sich ebenfalls, konnte aber mit den damals neu entwickelten Medikamenten überleben. 1999 zog er in eine neu geschaffene Wohnung im Seitenflügel des Hochparterres, um mit seinen körperlichen Beeinträchtigungen nicht die vielen Treppen steigen zu müssen. Er wohnte hier angesichts der Bedeutung, die er für die Ersteigerung des Hauses hatte, zu besonderen Bedingungen.

Seine große Leidenschaft war die Forschung zum alten Ägypten. Er gehörte einem Freundeskreis an, unternahm viele Reisen nach Ägypten und baute eine beachtenswerte Bibliothek zum Ägypten der Pharaonen auf. Über die Jahre wurden allerdings seine sozialen Kontakte immer weniger, er setzte zeitweilig die Medikamente gegen die HIV-Erkrankung ab und geriet schließlich in Schwierigkeiten, als nach der Digitalisierung sein Job als Filmvorführer am Potsdamer Platz gestrichen wurde. Das Jobcenter schickte ihn auf mehrere Umschulungen, die aber alle nicht zu einer neuen dauerhaften Beschäftigung führten.

Nachdem er auch den Kontakt zu seiner Familie verloren hatte, lebte er die letzten Jahre völlig isoliert in seiner Wohnung. Er starb am 28.9.2022. Vermutlich war er nachts gefallen und hatte sich eine Kopfverletzung zugezogen. Dem Nachlassgericht waren zum Zeitpunkt seines Todes keine Verwandten bekannt, derzeit (August 2023) läuft noch eine Recherche im Ausland. Hinweise bitte an ni(at)nicolaus-schmidt.com .

Seine Bibliothek zu Altägypten wurde von der Humboldt-Universität übernommen und steht Studenten und Doktoranden zur Verfügung.

 

 

*Lutz Franke: * 5.3.1965 in Bad Freienwalde, gest. 28.9.2022 in Berlin.


Startseite
Chronologie
Dokumente
Vertiefende Texte
Impressum
2009-08-29