Kollwitzstrasse 52 | Berlin-Prenzlauer Berg
Informationen zur Geschichte des Hauses Kollwitzstraße 52 in Berlin, Prenzlauer Berg

Vertiefende Texte


Der Deutsch-Holländische Actien-Bauverein (1)
und die erste Berliner Bauspekulation.

Die starke Ausdehnung der Stadt Berlin in den Gründerjahren zu Beginn der 70er Jahre des 19. Jahrhunderts wurde von einer größeren Zahl von Bau- oder Terraingesellschaften angeschoben, die überwiegend nur dem Namen nach Baugesellschaften waren, tatsächlich aber nur die Baustellen vorbereiteten und damit handelten. Eine Ausnahme hiervon bildete der 1872 gegründete Deutsch-Holländische Actien-Bauverein, der innerhalb des Bebauungsplanes auf dem Gelände zwischen Schönhauser und Prenzlauer Allee nicht nur Ackerland zu Bauland umwandelte und sondern selbst auch baute und dieses als erste Gesellschaft auch in einem durchgeplanten, rationalisierten Prozeß versuchte, zu industrialisieren.

Gründer der Gesellschaft waren Wertheim & Gompertz in Amsterdam, der Rittergutsbesitzer Klau sowie 7 weitere Personen. Es wurden über die Ausgabe von Aktien als Kapital eingesammelt, die anfangs weitgehend zum Ankauf des Terrains ausgegeben wurden. Erworben wurde es vom Miteigentümer Gutsbesitzer Klau, der es wiederum erst vorher zusammengekauft hatte. Nach Otto Glogau, dem Chronisten und Kenner der Berliner Bautätigkeit und Spekulation der 70er Jahre, sollen die Gründer auf diese Weise mehr als 3 1/2 Millionen Taler verdient haben. Entsprechend turbulent ging es bei den Hauptversammlungen der Aktiengesellschaft zu, teilweise wurden die vorgelegten Bilanzen nicht genehmigt und der Gutsbesitzer Klau "kam hart in`s Gedränge." (Glogau) (2)

Rund um den heutigen Kollwitzplatz ("Wörther Platz") baute die Gesellschaft allein 34 fünfgeschossige Häuser. Um hierfür den Zuschnitt der Parzellen günstiger zu gestalten, wurde eine Abänderung des Bebauungsplanes erwirkt. Auf diese Weise entstand der damalige "Wörther Platz". (Wie die umliegenden Straßen benannt nach nach Orten im Elsaß und in Lothringen, der deutsch-Französische Krieg war gerade siegreich beendet worden. Anmerk. d.V.)

Das Besondere dann am Bauprozeß war die Zusammenfassung aller am Bau beteiligten Gewerke und die Vorfabrikation von Bauteilen in gemeinsamen Gebäuden auf dem Gelände der Gesellschaft. Auf dem Gelände des heutigen Helmholtzplatz fand sich eine Ziegelei, um das örtlich vorhandene Lehmlager auszubeuten. Um zu brauchbaren Ziegeln zu kommen mußte, dieser Lehm allerdings mit aus Freienwalde herbeigeschafftem Ton vermischt werden. Gebrannt wurde in einem Ringofen. Es war eine Schneidemühle, wie auch eine Zimmerei, Tischlerei und Schlosserei vorhanden, diese wiederum unter dem Dach eines großen Fabrikgebäudes zwischen Prenzlauer Allee und Dunckerstraße, der sog. "Spinne". Geplant wurde in einem "Bau-Bureau". (Die Verwendung der vorgefertigten Teile läßt sich heute noch in den örtlichen Treppenhäusern erkennen, in denen bestimmte Elemente wie große Säulen baugleich auf verschiedene Weise mit anderen architektonischen Elementen kombiniert sind. Im Hause Kollwitzstraße 52 sind in einigen Wohnungen noch die originalen Parketttafeln aus der "Spinne" vorhanden. Statt Stahlträger zum Abfangen eines Fenstersturzes hat man damals Eisenbahnschienen verwendet. Anmerk. d.V.)

Zwischen 1873 und 1876 baute die Gesellschaft unter Ausschaltung von Einzelhandwerkern fabrikmäßig vorbereitet ein großen Teil der Häuser der nördlichen Weißenburger, Treskow-, Fransecky- und Hochmeisterstraße. Über die genaue Zahl gibt es derzeit keine eindeutigen Angaben.

Nachdem schon 1873 von Wien aus ein Börsenkrach die europäische Wirtschaft erschütterte, konnte der Actienbauverein für einige Jahr noch den geplanten neuartigen Bauprozeß umsetzten. 1875 erfolgte dann aber auch in Berlin ein Absturz der Kurse der erst wenige Jahre zuvor gegründeten Bauvereine. Zuerst fielen die Aktien des Deutsch-Holländischen Bauvereins dramatisch, schließlich wurde die Gesellschaft zahlungsunfähig. Eine große Zahl von Bürgern, die den Baugesellschaften Geld gegeben hatte, verloren dieses.

Der heutige Kollwitzplatz blieb 10 Jahre "eine Sandwüste mit einer Oase von elenden Bäumen und Sträuchern in der Mitte." (Die Heimatforscher Behrendt & Malbranc im Jahr 1928).

In den 80er Jahren wurde der Ziegeleiturm auf dem Helmholtzplatz in Anwesenheit Generalfeldmarschall Moltke vom Militär gesprengt. Noch 1895, als in der Nähe schon die ersten Schulen erbaut waren, standen auf dem Platz die Ruinen der Ziegelei. Da eine weitere Sprengung zu viel Geld gekostet hätte, wurden die Gebäudereste mit Erde überschüttet und auf dem entstandenen Hügeln zwei Spielplätze angelegt. ( Der Helmholtzplatz hatte auf diese Weise seine charakteristische Erhebung erhalten. Anmerk. d.V.)

Zur Bauspekulation: Vgl. auch die Frequenz der An- und Verkäufe in der Chronologie zu diesem Haus in den ersten Jahren.

 

(1) Dieser Artikel basiert, soweit nicht im Einzelnen anders angegeben, auf der Darstellung in: J.F.Geist / K. Kürvers, Das Berliner Mietshaus 1862 - 1945, München 1984.
(2) Otto Glogau, Der Börsen- und Gründungsschwindel in Berlin: 7. Berliner Baugeschichten, in: Die Gartenlaube, Leipzig 1875, Zitiert nach Wikisource .

Kollwitzstraße 52, stark verkleinerte Abbildung der Aktie des Deutsch-Holländischen Aktien-Bauvereins von 1872
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2009-08-17